Mittwoch, 6. April 2016

Sendung Kassensturz kritisiert horrende Medikamentenpreise und Pharmaindustrie, nicht aber das BAG. So unterstützt der Beitrag indirekt die verhängte Rationierung und den Preiskrieg auf den Schultern der Patienten

Der Kassensturz vom 5.April thematisierte die überhöhten Preise der Hepatitis C Medikamente, vernachlässigte aber sträflichst, den wahren Urheber der Rationierung, nämlich das Bundesamt für Gesundheit (BAG) für seine menschenverachtende Politik zu kritisieren oder wenigstens kritische Fragen zu stellen.


Für uns Patienten ist das ein Schlag ins Gesicht. Als Alleinverantwortlicher wird die Pharmaindustrie hingestellt, in diesem Falle Gilead. Kassensturz verschweigt, dass das BAG bis jetzt alle Pläne zur Entwicklung einer Eliminierungsstrategie von Hepatitis C in der Schweiz unter Einbezug der Pharmaindustrie boykottiert hat. Er verschweigt, dass die Bundesbehörden den Auftrag haben, die Bundesverfassung und die Menschenrechte zu schützen, überträgt diesen Auftrag kurzerhand (indirekt) an die kapitalistisch gesteuerte und profitorientierte Pharmaindustrie und lässt sich die Schweizer Behörden als Opfer darstellen. Er verschweigt, dass die betroffenen Patienten vom Bundesamt für Gesundheit via Rationierung im Stich gelassen werden, und nicht von der Pharmaindustrie.   
Während der Sendung wird die Rationierung dem Zuschauer eigentlich als unumgängliche Massnahme hingestellt. Nicht eine kritische Frage stellt der Moderator dem Vertreter des BAG vor laufender Kamera. Zum Beispiel: Können Sie es verantworten, Menschen leiden zu lassen, indem sie ihnen Medikamente vorenthalten? Wie viel kann das Schweizer Gesundheitssystem durch die Behandlung aller Patienten längerfristig einsparen? Wie viel hat denn die Behandlung der Kranken bisher gekostet? Wie viele wurden überhaupt behandelt? Wie viel ist gemäss BAG ein Menschenleben wert? Weshalb entwickelt das BAG keine Strategie zur Eliminierung von Hepatitis und schlägt der Pharmaindustrie einen Plan vor? Nicht eine kritische Frage! Vielmehr kann der Vizedirektor des BAG und lautstärkster Verfechter der Rationierung, Herr Oliver Peters, in aller Ruhe feststellen, sein Amt hätte alle Möglichkeiten zur Preissenkung ausgeschöpft. Kein Widerspruch des Moderators, kein Nachfragen, keine Zweifel. Aber warum kann Australien alle Kranken behandeln und die Schweiz nicht? Warum hat Australien einen Plan zur Eliminierung von Hepatitis C, die Schweiz nicht? Wer bremst da: die Pharmaindustrie oder gar die Bundesbehörde selbst?

Die einzige vernünftige Stimme vernehmen wir von Dr. Philip Bruggmann, der wenigstens sagt, dass die Rationierung aus medizinischer und ethischer Sicht fraglich ist. 
Dann geht’s zum Alleinschuldigen: der Pharmaindustrie, insbesondere Gilead. Angefangen mit dem Gehalt des amerikanischen CEO. Nun haben wir bereits 95% der Zuschauer-Sympathie gewonnen! Die Volksseele kocht bereits. Schon ist vergessen, wer hier eine Medikamentenrationierung verhängt hat. Dieses Argument (das Gehalt des CEO von Gilead) hat uns übrigens damals auch Herr Peters bei der Unterredung in Bern immer wieder gesagt. Wir sind jetzt also im Preiskrieg zwischen der bösen und unmoralischen Pharmaindustrie, und dem armen BAG, das ja alles Menschenmögliche getan hat. Der Zynismus ist jetzt für uns Patienten kaum zu überbieten!

Wohlverstanden: natürlich sind kritische Fragen des Kassensturz-Moderators an den Vertreter der Pharmaindustrie, Herrn Cueni, gerechtfertigt. Das Preismodell soll und muss hinterfragt werden. Dieses Modell wird aber gerade auch vom BAG gefördert. Es setzt die Preise, zusammen mit der Pharmaindustrie, hinter verschlossenen Türen fest, es ist Teil dieses Systems.
Aus Patientensicht hat Kassensturz voll und ganz versagt. Er hat sicher viele Sympathien gewonnen bei den (vermutlich gesunden) Pharmakritikern, die nach dieser Sendung allein der Industrie die Schuld für die für Patienten und Patientinnen unerträgliche Situation geben. Umso einfacher doch, einen amerikanischen Grosskonzern anzuprangern als unsere Schweizer Bundesbehörde, die ja eigentlich ihr menschenmögliches getan hat. 
Das Hepatitis-C Betroffene seit einem Jahr eine Aufhebung der Rationierung verlangen und dazu dem BAG eine Petition eingereicht haben, wird mit keinem Wort erwähnt (Kassensturz war informiert). Vor einem Jahr haben wir das BAG aufgefordert, den Preiskrieg mit Gilead nicht auf den Schultern der Patienten auszutragen. Warum wurde das BAG und sein Vertreter nicht ebenfalls ins "Kreuzfeuer" genommen, so wie Herr Cueni ? Unserer Ansicht nach wurde der Preiskrieg nun im Kassensturz weitergeführt, der sich de facto zum Sprachrohr des BAG und seiner rechtswidrigen und zutiefst unethischen Argumentation machte. 
Das BAG wird sich nach dieser Sendung triumphierend auf die Schultern klopfen und seine Hände weiterhin in Unschuld waschen, nunmehr abgesegnet vom Kassensturz. Der Druck auf die Pharmaindustrie hat nun gewiss zugenommen, nicht aber auf das BAG, das es in seiner politischen Hand hätte, dieser unerträglichen Situation für Tausende von Menschen ein schnelles Ende zu setzen. 
Den betroffenen Patienten und Patientinnen hat der Kassensturz einen Bärendienst erwiesen. Sie bleiben weiterhin die leidenden Geiseln im Feldzug des BAG gegen Gilead. Schade, ich hätte etwas mehr erwartet, nur ein bisschen mehr. Und zwar Ausgewogenheit.
Dani Horowitz

Hier gehts zur Sendung:






 

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wow! Super auf den Punkt gebracht! Das hat mich am Beitrag auch krass gestört. So wie ich es verstanden habe, hält sich Gilead ja nur an die Gesetze/Verordnungen. Auf die hat wohl das BAG mehr Einfluss, also soll sich das BAG nicht als armes Opfer darstellen.

Zudem hat mich dann interessiert, wieso die Medis aus Indien kommen - und nach ein bisschen Googlen siehe da (sieht fast so aus, als würde sich Gilead mit ihrem sozialen Engagement in Entwicklungsländern ein Eigengoal schiessen):
http://www.gilead.com/responsibility/developing-world-access/viral%20hepatitis
"Gilead is working with regional partners to introduce branded Sovaldi® and Harvoni® in low- and middle-income countries, prioritizing those with the greatest disease burden. The company also works with 11 generic drug manufacturers in India to produce high-quality, low-cost generic versions of its chronic hepatitis C medicines for use in 101 developing countries."

Ich hoffe doch, Sie haben diesen Kommentar auch dem Kassensturz zukommen lassen bzw. auf deren Seite publiziert.

Alles Gute! 2

Dani Horowitz hat gesagt…

Antwort an @anonym: Lieber anonymer Besucher: Ich hatte im Vorfeld ein 30-minütiges Telefongespräch mit der Redaktion des Kassensturzes, von der ich angerufen wurde. Kassensturz waren alle Fakten bekannt. Dann schrieben wir Kassensturz im Vorfeld der Sendung nochmals an, als der irreführende Titel der Sendung publiziert wurde, leider ohne Erfolg. Nach der Sendung haben wir Kassensturz unsere Position zukommen lassen, doch die Redaktion fand, der Beitrag sei ausgewogen gewesen und hielt an seinem Standpunkt fest, da war gar nichts zu machen.
Danke für Ihr Feedback und die Guten Wünsche.