Montag, 15. Februar 2016

Das BAG lehnt Unterstützung einer symptomatischen Hepatitis C Patientin ab

Das BAG (Bundesamt für Gesundheit) verweigert Unterstützung und lässt eine Patientin bewusst leiden, entgegen seiner gemachten Zusicherungen.

Es liege überhaupt nicht in der Absicht des BAG, Menschen, die an Hepatitis C erkrankt sind und Symptome aufweisen, die ihre Lebensqualität beeinträchtigen, leiden zu lassen. In diesen Fällen müssen die Kassen, gemäss Aussage des BAG vom 5.Oktober 2015, bereits heute die Kosten der neuen Therapien vergüten, da die vom BAG verhängte Limitatio ausdrücklich jene Patienten, die an sogenannten "extra-hepatischen Manifestationen" leiden,  von der Limitatio ausnehme. (siehe dazu unseren Artikel weiter unten).

Diese Zusicherung erhielten wir anlässlich der Aussprache mit Vertretern des BAG vor rund 4 Monaten. Wir reichten in der Folge ein Patientendossier ein, aus dem hervorgeht, dass die Behandlung einer symptomatischen Patientin von der Krankenkasse Assura verweigert wurde. Die Krankheitssymptome der Patientin sind in zahlreichen Studien ausführlich beschrieben (ausgeprägte  Fatigue nebst Gedächtnis- und Konzentrationsschwierigkeiten). In seiner Antwort vom 29.Januar 2016 auf das Patientendossier nimmt das BAG nun wie folgt Stellung: "Folgenden Krankheitsbilder, werden gehäuft bei einer HCV-Infektion beobachtet, sind jedoch nicht eindeutig alleine auf eine HCV-Infektion zurückzuführen: (...), Cronic Fatigue, (...).  Für eine Vergütung von Harvoni bei Fibrosegrad 1 ist jedoch aufzuzeigen, dass die extra-hepatische Manifestation mit hoher Wahrscheinlichkeit der HCV-Infektion zuzuschreiben ist."

Das BAG weiss sehr wohl, dass der auf diese Art geforderte Nachweis kaum  möglich ist. Mit anderen Worten wird also die "Cronic Fatigue" als Symptom vom BAG nicht anerkannt, ebenso wenig wie die Gedächtnis- und Konzentrationsschwierigkeiten. Die Patientin leidet also weiterhin unter einer stark eingeschränkten Lebensqualität, obwohl es mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Heilung (und Befreiung von diesen typischen Symptomen für sie gäbe), und zwar auf Beschluss der Krankenkasse hin, der jetzt vom BAG abgesegnet wurde. Dies wider besseren Wissens, da dem BAG die entsprechenden Berichte vorliegen (Negro F, et al, Gastroenterology 2015;149:1345–1360). Die häufigste neurologische Manifestation und das häufigste Symptom überhaupt (>50%) einer
chronischen Hepatitis C ist Fatigue.

Es sei auch bemerkt, dass sich die Forschung in diesem Bereich immer mit Wahrscheinlichkeiten bewegt.  Wir wissen, dass ein erhöhter Blutdruck die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarktes erhöht. Wie kann man nun nachweisen, dass eben dieser bestimmte Patient seinen Herzinfarkt deswegen erlitten hat? Das ist praktisch unmöglich. Aber die Chance ist gross. Deswegen wird erhöhter Blutdruck behandelt, weil er das Risiko für andere Krankheiten nachgewiesenermassen erhöht. Bei Hepatitis C sind (nebst schlimmeren Folgeerkrankungen) auch klar Cronic Fatigue beschrieben und nachgewiesen.

Als ehemaliger Patient weiss ich übrigens sehr genau, wovon ich spreche. In meinem Fall ist die Cronic Fatigue (nebst zahlreichen anderen Symptomen) ab dem 3. Tag der Behandlung verschwunden! Meine Lebensqualität hat sich auf fast wundersame Weise verbessert, und ich habe das dem BAG das in der Aussprache im Oktober ausführlich beschrieben. Dies wird der oben erwähnten Patientin verweigert.


In Wirklichkeit ist nicht dass das Problem, sondern es sind die Preise der Medikamente, welche das BAG zu seiner Argumentation verleiten. Das BAG (und die Kassen) unternehmen alles, um eine Behandlung nicht zu vergüten, und das Ganze wird dann eben nur noch gut in "wissenschaftliche Argumentationen" verpackt, um nicht bezahlen zu müssen und so den Preisdruck auf die Pharmaindustrie aufrecht zu erhalten. Es wird also weiterhin ein Preiskrieg auf den Schultern der Patienten ausgefochten. Die hohen Preise der neuen Hepatitis C Medikamente stören auch uns. Und auch die masslosen Gewinne der Pharmariesen, die von den staatlichen Gesundheitssystemen getragen werden müssen. Doch der Kampf muss politisch geführt werden, und zwar nicht auf den Schultern der Patienten. Wenn wir das ändern wollen, dann müssen diese Firmen halt gezwungen werden, in dem ihnen die Patente entzogen werden. Doch solches wollen die Schweizer Behörden nicht (da wären ja dann auch die Schweizer Pharmariesen betroffen). Solange die Gesellschaft auf Profitmaximierung ausgerichtet ist und die Medikamentenproduktion und -forschung den privaten Betrieben obliegt, ist es unehrlich, die Schuld nur auf die teuren Medikamente zu schieben.

Das BAG entlarvt sich nun also selbst, und seine Zusicherungen an uns als leere Versprechen. Lapidar hält es zum Schluss fest: "Ist eine versicherte Person mit einem Entscheid des Krankenversicherers nicht einverstanden, steht ihr der Rechtsweg offen.". Wie wenn das für eine bereits krankheitsbedingt geschwächte Patientin einfach wäre, gegen einen Krankenversicherer, der sich die besten Anwälte leisten wird, zu gewinnen. Auch das weiss das BAG. Wir haben gehofft, seitens dieser staatlichen Institution mehr Unterstützung zu erhalten und in diesem Sinne zumindest teilweise einvernehmliche Lösungen zu finden. Dies wurde vom BAG zunichte gemacht, und es bestärkt uns darin, nun höchstmöglichen Druck auf das BAG auszuüben, wenn nötig eben gerichtlich. Denn darin besteht keinen Zweifel: die Limitatio würde vom Bundesverwaltungsgericht gekippt. Die Limitatio widerspricht den ethischen Grundlagen unserer Gesellschaft. Es seien dazu nur erwähnt der Artikel 25 der Erklärung der Menschenrechte: "Jeder Mensch hat Anspruch auf eine Lebenshaltung, die seine und seiner Familie Gesundheit und Wohlbefinden (...) gewährleistet". Auch Artikel 117 der Schweizerischen Bundesverfassung besagt: "Bund und Kantone sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für eine ausreichende, allen zugängliche medizinische Grundversorgung von hoher Qualität.". Von "hoher Qualität". Es hat hier keinen Zusatz, der besagt, sofern die Medikamentenkosten einen bestimmten Betrag nicht überschreiten, oder sofern der Pharmaproduzent keine überhöhten Gewinne verbucht. Ohne Zusatz. Ohne Wenn und Aber.


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