Dienstag, 14. Juli 2015



Antwort von Bundesrat Berset zur Petitionsübergabe

9.Juli 2015



In seinem Antwortschreiben vom 9.Juli wiederholt Bundesrat Berset dieselben Argumente des BAG zugunsten der Rationierung, welche uns erst dazu geführt haben, die Petition "Behandlung für Alle" zu lancieren. Aber nicht nur das. Aus terminlichen Gründen sei es ihm nicht möglich, die Petition persönlich entgegen zu nehmen. 
Bundesrat Berset schlägt aber auch keine Alternativen vor. Das BAG sei gerne bereit, uns anzuhören, aber nach der Sommerpause. Das ist ja schon mal gut. Trotzdem werden wir unsere Petition (die bereits mehr als 1000 Unterschriften beisammen hat) am 28.Juli, dem Welt-Hepatitis-Tag, in Bern einreichen, wenn nötig übergeben wir sie dem Hauswart oder dem Sicherheitspersonal.

Zur Antwort des Bundesrats stellen wir folgendes fest:

1. Herr Berset vergleicht die Rationierung  mit anderen Ländern, die ähnliche Bestimmungen haben. . Weshalb nicht mit Spanien oder Deutschland, die fortschrittlichere Regelungen kennen? Und überhaupt: nur wenn andere Unrecht tun, ist das keine Rechtfertigung  dafür, dies auch selber zu tun.

2. Herr Berset verweist darauf, dass auch die EASL (European Association for the Study of the Liver, EASL) vorsieht, dass dass zunächst Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung behandelt werden. In diesen Empfehlungen steht aber auch wörtlich: "All treatment-naive and -experienced patients with compensated or decompensated chronic liver disease related to HCV, who are willing to be treated and who have no contra-indications,  should be considered for therapy" und "Treatment is justified in patients with moderate fibrosis (METAVIR score F2)" sowie "The timing and nature of therapy for patients with minimal or no fibrosis (METAVIR score F0-F1) and no severe extra-hepatic manifestations is debatable".

3. Die EASL empfiehlt für den Genotyp 4 unter anderem auch  eine 12-wöchige Therapie mit Sofosbuvir/Ledipasvir (Harvoni), was in der Schweiz aber nicht für diesen Genotyp zugelassen ist. Dies aufgrund des übertriebenen Bürokratismus der Swissmedic, die ebenfalls dem Departement von Bundesrat Berset angehängt sind.

4.  Herr Berset schreibt: "Es gibt medizinische und wirtschaftliche Gründe für diese Limitation.". Das stimmt nicht, Herr Berset! Reden Sie einmal mit Infektologen und Hepatologen in der Schweiz, die zu einem grossen Teil diese Limitatio als unethisch und medizinisch nicht gerechtfertigt finden. Es gibt keinen medizinischen Grund, Menschen, die bereits an Fibrose F1 oder gar F2 leiden, nicht zu behandeln. Es geht hier nur, und zwar ausschliesslich nur, um wirtschaftliche Gründe. Ihre Argumentation ist in diesem Sinne irreführend, und wir erwarten von Ihnen, dass sie wenigstens dazu stehen.

Unser Standpunkt ist: Medizinische Laien wie die Juristen des BAG sollten eigentlich das letzte Wort, wer behandelt werden muss, den qualifizierten Ärzten überlassen, insbesondere den Hepatologen und Infektiologen, und nicht Juristen. Und gerade auf diese hört weder das BAG noch ihr Chef, Bundesrat Berset. Die letzte in der Schweiz verfasste Studie von solchen Spezialisten, unter anderem des Universitätsspitals Zürich, stellt fest: "Mit einer frühzeitigen Hepatitis C-Therapie kann die Sterblichkeit um 90 Prozent gesenkt und die langfristige Entwicklung der Krankheitskosten positiv beeinflusst werden". Mit anderen Worten: die BAG-Limitatio ist Mord an jenen, die mit der Behandlung nicht an den Spätfolgen sterben würden. Jeder einzelne davon ist einer zuviel.



Hier die Antwort des Bundesrats im Wortlaut:
 
Petition "Hepatitis C-Medikamente für alle Betroffenen"

Sehr geehrter Herr Horowitz

Besten Dank für Ihr Schreiben vom 5. Juni 2015. Ich kann Ihnen versichern, dass sich der Bundesrat
bewusst ist, dass Hepatitis C-Betroffene auf eine wirksame Behandlung mit Arzneimitteln angewiesen sind. Dies insbesondere auch, wenn die Betroffenen nicht auf die Standard-Therapie mit Interferon ansprechen.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) als zuständiges Fachamt hat entschieden, die Arzneimittel Sovaldi, Harvoni, Viekirax und Exviera sowie Olysio zur Therapie der chronischen Hepatitis C auf die Spezialitätenliste (SL; www.spezialitätenliste.ch) aufzunehmen. Es gibt medizinische und wirtschaftliche Gründe für diese Limitation. Die Vergütung dieser Arzneimittel durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP, Grundversicherung) ist aktuell eingeschränkt auf Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung (Fibrosegrad F3 oder F4, Metavir-Score). Unabhängig vom Grad der Lebererkrankung werden die Arzneimittel vergütet, wenn sich die Erkrankung ausserhalb der Leber manifestiert (z.B. bei Haut- oder Nierenerkrankungen); die Vergütung erfolgt dann unabhängig vom Fibrosegrad.

Auch internationale Leitlinien (European Association for the Study of the Liver, EASL) sehen vor, dass zunächst Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung behandelt werden. Entsprechend haben sehr viele Staaten (z.B. Frankreich, Belgien, Österreich, die Niederlande, Grossbritannien, Schweden, etc.) für die Vergütung der neuen, sehr teuren Arzneimittel zur Behandlung chronischer Hepatitis C Einschränkungen festgelegt, die mit der Schweiz vergleichbar sind. Auch diesem Grundsatz wurde bei diesem Entscheid Rechnung getragen.

Das BAG evaluiert die Situation fortlaufend und schliesst eine Ausweitung der Vergütung nicht aus,
sofern die Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit erfüllt sind.

Leider ist es mir aus terminlichen Gründen nicht möglich Ihre Petition persönlich entgegenzunehmen.
Ich darf Ihnen aber versichern, dass ich Ihre Anliegen und damit die Anliegen der von Hepatitis C betroffenen Patientinnen und Patienten ernst nehme. Eine Ausweitung der Kriterien unter den vorgenannten Voraussetzungen ist bei einer erneuten Überprüfung nicht auszuschliessen.

Das Bundesamt für Gesundheit hat bereits verschiedentlich Experten und Patientenorganisationen zum Thema getroffen. Wenn es von Ihrer Seite gewünscht ist, wird das BAG Sie und Herrn Kohler nach den Sommerferien gerne zu einem Austausch empfangen, um Ihre Anliegen zu diskutieren.

Freundliche Grüsse
Alain Berset
Bundesrat

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